sagt Ulrich Spindler, der als Physiker bei der deutschen Tochterfirma eines amerikanischen Bekleidungsunternehmens arbeitet und öfter zur Mutterfirma vor Ort in den USA reist. "Ich machte die Erfahrung, dass ich mit einer Bulgarin, mit Franzosen und Italienern, die ich dort kennen lernte, wesentlich mehr kulturelle Gemeinsamkeiten hatte als mit den Amerikanern." Für ihn war es sehr wichtig, sich bewusst zu machen, dass sich Amerikaner und Deutsche kulturell wenig ähneln, obwohl es äußerlich sehr danach aussieht. "Erst wenn man das begriffen hat, kann man sich die Unterschiede klar machen und damit umgehen lernen", erkannte Spindler.
Vor allem sollte man das bei der Kommunikation beherzigen. Der Umgangston ist in den USA locker und humorvoll und nach kurzer Zeit spricht man sich mit dem Vornamen an. Das ist eine kulturelle Norm, aber kein Zeichen von Intimität oder gar Vertrautheit, die Kritik erleichtert. Im Gegenteil, meint Spindler: "Amerikaner vermeiden Konfrontationen in Gesprächen. Alle Teilnehmer überspielen sie mit Scherzen und mildern sie ab, sollten sie dennoch auftreten. Als Deutscher bekommt man das gar nicht mit und wundert sich, dass nicht wenigstens ab und zu Tacheles geredet wird. Man muss sehr zwischen den Zeilen lesen beziehungsweise hören, um die Kritik zu erkennen. Wenn man selbst Kritik äußert, muss man sich sehr zurücknehmen und wird dann für amerikanische Ohren meist trotzdem noch sehr harsch klingen." Wenn man kritische Punkte ansprechen möchte, dann unbedingt sandwichartig verpackt mit Lob davor und danach. Bei sensiblen Sachverhalten sollte man Mails vor dem Absenden lieber noch einmal von Amerikanern gegenlesen lassen.
Amerikaner sind sehr harmoniebedürftig. Wenn die eigene Meinung nicht weich genug verpackt ist, kann das in den USA geschäftliche Beziehungen ruinieren, warnen Experten. Üblich ist stattdessen: Loben, Loben und nochmals Loben. Am besten man steigt gleich mit einem Lob über die schöne Umgebung, ein Detail der Kleidung oder das leckere Essen in die Small Talk-Phase zu Gesprächsbeginn ein. Kritik wird als positive Motivation verstanden: "You could have done better."
Trainer Bastian Broer sagt: "Small Talk is Big Talk", er gehört zum Business. Man soll ihn unbedingt ernst nehmen und auch selbst ein paar Themen parat haben. US-Sportarten wie Baseball eignen sich gut dafür, aber auch die neuesten Kinofilme. Der Small Talk dient dazu, vorsichtig abzuklopfen worüber man mit dem Gegenüber reden kann, bei welchen Themen ähnliche Meinungen zu erwarten sind,und bei welchen gegensätzliche Auffassungen vorherrschen, hat Spindler bei seinen USA-Besuchen festgestellt.
Am Anfang steht immer die Frage "How are you?", "How are you doing?" oder das saloppere "How is it going?". Eine tief schürfende Auskunft über die eigene Befindlichkeit wird dabei nicht erwartet. Ein schlichtes "Fine, thank you, how about you?" oder "Excellent, and yourself?" reicht als Antwort völlig aus. Nachlässige Redewendungen wie "you know" sind im Business Talk fehl am Platz. Auch am Telefon plaudern Amerikaner gleich sehr locker. "So kommt man auch als Neuer schnell ins Gespräch", sagt der Amerikaner James Bennett. Der Direktor eines Consultingbüros für Entwicklungspolitik lebt seit 30 Jahren in Deutschland und empfiehlt Deutschen sehr freundlich zu sein und höflich auf den anderen zuzugehen. Er hat festgestellt, dass sich Deutsche oft reservierter verhalten als Amerikaner: "Freundlichkeit wird als Anbiedern missverstanden, zu viel Kontaktpflege als unangemessen." Oder Deutsche erwarten dann gleich, dass sich eine richtige Freundschaft entwickelt, während Amerikaner nur entgegenkommend waren und es dem anderen auf unkomplizierte Art leicht machen wollten.
Unkompliziert ist in den USA auch der Umgang mit Titeln. Sie werden außer auf Geschäftspapieren so gut wie nie verwendet. Ein Dr. ist ein Mediziner. Statt der formalen Ausbildung zählt eher, ob jemand gute Arbeit leistet. Hierarchien fallen wegen des lockeren Umgangstons weniger auf. "Es ist ziemlich leicht mit Vorgesetzten zu sprechen, die mehrere Stufen über einem stehen, falls man es für nötig hält. Amerikaner sind sich auch grundsätzlich nicht zu fein mit Mitarbeitern, die in der Hierarchie weit unter ihnen rangieren, ein paar freundliche und lobende Worte zu wechseln", beobachtete Spindler.
Gleichwohl existieren Hierarchien und drücken sich auch in Statussymbolen wie etwa dem Chefzimmer mit großer Fensterfront aus. Und letztlich ist der Vorgesetzte auch derjenige, der die Entscheidung fällt. Die jeweilige Position ist also sehr wohl wichtig. Wenn man den Begriff dafür übersetzen muss, sollte man sicherstellen, auch den richtigen Status wiederzugeben.
Amerikaner gehen grundsätzlich ganz pragmatisch vor und stellen sich die Frage "What's in it for me?", also "Was habe ich davon?", sagt der interkulturelle Trainer Bastian Broer. Ein Team ist ein Zusammenschluss von Leuten, die sich gegenseitig nutzen. Diese Haltung macht für Deutsche die Teamarbeit mit Amerikanern oft schwierig. Denn in Deutschland gehört zur Teamarbeit auch der Glaube an das gemeinsame große Ganze. So hat Broer beispielsweise erlebt, dass die Einführung des Computerprogramms SAP in einer amerikanischen Tochterfirma mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war - was die deutsche Seite schwer nachvollziehen konnte. Aber für diese Tochterfirma stellte es einfach kein Wert dar, für das Unternehmen ein einheitliches System einzuführen. Es hätte stärkere Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, dass die Einführung eines gemeinsamen Systems auch für die Mitarbeiter in den USA Vorteile bringt. So kommt es auch immer wieder vor, weiß Broer, dass bei Nachwuchskräftetrainings in Deutschland die entsprechenden Mitarbeiter aus den Niederlassungen in verschiedenen Ländern eingeladen werden. Oft ist dann keiner der amerikanischen Kollegen anwesend. Dem einzelnen Mitarbeiter ist nicht klar genug, wie er von der Reise profitieren könnte.
Ein anderer Konfliktpunkt bei der Teamarbeit von Deutschen und Amerikanern liegt in der generell unterschiedlichen Herangehensweise an Aufgaben. Die PR-Beraterin Carla Kleinjohann hat in der Zusammenarbeit mit amerikanischen Partnern erlebt, dass Deutsche oft schon vor dem eigentlichen Projektstart auf Probleme und Gefahren hinweisen und sicherheitshalber schon im Vorfeld "notwendige Rezepte" in der Schublade haben möchten. Dafür gelten deutsche Manager in den Augen der Amerikaner oftmals als pedantisch und werden manchmal als "Hemmschuh" oder gar "Verhinderer" empfunden. Im Gegensatz dazu sind die Amerikaner weitaus pragmatischer und agieren eher nach dem Motto "Wir fangen erst einmal an, Dinge verändern sich ohnehin und dann kann immer noch entschieden werden, was zu tun ist". "Beide Vorgehensweisen haben durchaus ihre Berechtigung", findet Kleinjohann. "Schöner Lerneffekt im Umgang miteinander ist, wenn man sich bemüht, die Argumente der anderen Seite zu verstehen, und sich in der Mitte trifft."
Wie wichtig positives Selbstmarketing in den USA ist, wurde Kleinjohann nach und nach klar: "Amerikaner sind Enthusiasten. Sie sind über alles Mögliche schnell begeistert und vermögen selbst zu begeistern. Und sie erwarten eigentlich immer positive Antworten. In den USA ist stets alles gleich ‚great' oder ‚outstanding'. Dabei kann man nach deutschen Maßstäben manchmal getrost die Hälfte abziehen", sagt Kleinjohann. "Als Deutsche war ich in dieser Hinsicht früher eher zu zurückhaltend. Die Beschreibung meiner Ausbildung und beruflichen Erfahrungen entsprach exakt dem, was ich tatsächlich vorzuweisen hatte."
Um von Amerikanern nicht unterschätzt zu werden, ist es aber notwendig, sich auf deren Kommunikationsstil einzustellen und seine Kompetenz möglichst im optimalen Licht darzustellen. Das gilt auch im täglichen Umgang miteinander. Statt wie früher beim Bericht über einen Projektstatus zu erklären, dass es keine wirklich erwähnenswerten Entwicklungen und insofern auch keinen Neuigkeiten gibt weiß die PR-Expertin es heute besser und lässt amerikanische Geschäftspartner auch an für sie eher "unwichtigen Details" partizipieren. Früher habe sie solche Einzelheiten für den Projektverlauf nicht für sonderlich erwähnenswert gehalten. "Amerikaner wollen einfach nur sicher sein, dass etwas vorangeht und wissen, was gemacht worden ist - und das sollte kurz geschildert werden. Probleme sind dabei kurz und knapp darzustellen, immer aber mit dem Ausblick, dass sie zu managen sind."
Das ist auch bei Vorträgen wichtig. Präsentationen sollten professionell aufbereitet sein und dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Statt langweilige Zahlenkolonnen zu referieren, ist es wichtig, die Zuhörer auch gut zu unterhalten. Das heißt locker auftreten, sich selbst nicht zu ernst nehmen und am besten gleich mit einem Witz starten. Amerikaner machen aus jedem Vortrag eine Show! Mit dem Buchtitel "Wir amüsieren uns zu Tode" hat der amerikanische Gesellschaftskritiker Neil Postman dieses Phänomen auf den Punkt gebracht. Auch bei einem Vortrag zeichnet man sich in amerikanischen Augen nicht durch eine umfangreiche Problemanalyse als Experte aus, sondern durch eine knappe Definition und einen überzeugenden Maßnahmenkatalog. Nachdem die Deutschen in Amerika nicht gerade für überragende Service-Mentalität bekannt sind, ist auch die Präsentation eines umfassenden After-Sales-Konzeptes wichtig.
Egal ob Small Talk oder Vortrag, tabu sind dabei Themen aus den Bereichen Politik, wie etwa der Irak-Krieg, Sexualität und Krankheit. Natürlich sollte man auch amerikanische Religiosität nicht als Fundamentalismus bezeichnen oder deutlich machen, dass Europäer sowieso viel gebildeter seien. Überhaupt ist politisch korrektes Verhalten zwingend: Es gilt alles zu vermeiden, was diskriminierend wirken könnte - egal, ob es sich um Bemerkungen über Hautfarbe Nationalität, Rasse, Geschlecht, Alter, Herkunft oder sexuelle Orientierung handelt.
So sollte man auch zum Business-Essen nicht einen gegengeschlechtlichen Kollegen oder Kollegin allein einladen. Das wird leicht falsch ausgelegt - noch dazu, wenn der Einladende in der Hierarchie höher steht. Ansonsten ist es beim Dinner wichtig, sich nach dem Dessert oder Kaffee auch wirklich zu verabschieden, das rät Ralf Lang, der in den USA mehrere Jahre im IT- und Finanzbereich gearbeitet hat. "Wenn das Dinner von 5:30 pm bis 7 pm geht, dann dauert es auch nicht länger. Man sollte sehen, dass man rechtzeitig zum (Business-)Punkt kommt. Amerikaner sind in dieser Hinsicht pünktlicher und zielorientierter als Deutsche, die sich beim dritten Glas anfreunden." In den USA ist allgemein die persönliche Beziehung zum Geschäftspartner nicht so wichtig wie das Erreichen der Verhandlungsziele, hat Lang festgestellt. Es zählt vor allem die kurzfristige Zielerreichung: Der "return on investment" muss schnell passieren.
Im übertragenen Sinn gilt das auch für Besuche amerikanischer Geschäftspartner in Deutschland. Effektivität zählt nicht nur für die Meetings, sondern auch beim Besuchsprogramm. Anders als Deutsche im Ausland, die lieber mit viel Zeit Skurriles entdecken, möchten Amerikaner in möglichst kurzer Zeit möglichst viel sehen. Die Details sind dabei nicht so wichtig. Für eine Stadtbesichtigung in Köln hieße das beispielsweise: zehn Minuten für den Dom einzuplanen, eine Viertelstunde für die Altstadt am Rhein und eine Viertelstunde für eine Flussfahrt.
Was amerikanische Essgewohnheiten angeht, so ist für Deutsche auffallend, dass die linke Hand auf dem Schoß ruht und die rechte die Gabel hält. Und mit "Double Dip" kann man sich als ungehobelter Gast aus Europa outen. Also nie so genanntes "Finger Food" in die Cocktailsauce tauchen, nachdem man schon einmal abgebissen hat. Unüblich ist es auch, tagsüber Alkohol anzubieten, denn der Gruppenzwang könnte jemanden zum Mittrinken verführen.
Für Frauen gilt, egal wie heiß es auch sein mag: immer Feinstrumpfhosen tragen. Und ein weiteres absolutes Muss: rasierte Beine. Außerdem wichtig: rechtzeitig das Hemd wechseln, Amerikaner sind sehr sauberkeitsbewusst und geruchsempfindlich.
Als grundsätzlichen Unterschied zwischen Amerikanern und Deutschen sieht Lang aufgrund seiner USA-Erfahrung das amerikanische Pionier-Erbe an, das im Business mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit verlangt. Amerikaner sind eher bereit, zu wechseln und sich einen neuen Job zu suchen, wenn es nicht mehr gut läuft. Dafür ziehen sie auch bereitwillig um. Beim Business ist die einzige "Ideologie": "Let's get it done." Das führt auch zu einer geringeren psychologischen Belastung, wenn's mal schief geht. Die Arbeit ist eher Job und nicht Beruf(ung), dass heißt, sie ist Mittel zum Zweck und weniger aufgeladen mit Selbsterfüllungsvorstellungen. Diese Haltung bestätigt eine Studie der Fachhochschule Ludwigsburg und der University of Oklahoma. Der Befragung zufolge ist die Zufriedenheit der US-Manager mit ihrer Arbeit niedriger als die der Deutschen. Dennoch leiden die Amerikaner insgesamt weniger häufig unter dem Burn-out-Syndrom. Das deutet darauf hin, so die Studie, dass amerikanische Manager mehr Distanz zu ihrer Tätigkeit aufbauen als Deutsche.